zur ausstellungseröffnung 
Haufen und Biester

Sönke Busch



Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Gäste, alte Freunde.

Vielen Dank für ihr Erscheinen und zum Bestaunen der Ausstellung:
“Haufen und Biester” von Willehad Eilers.

Nun wurde ich gebeten, eine kleine Einleitung zu sprechen. Nichts lieber
als das, doch ein wenig schwer ist es schon, allein durch die Tatsache,
dass Herr Eilers und ich uns nun, trotz unseres erstaunlich geringen
zeitlichen Lebensumfangs, schon seit 20 Jahren gegenseitig begleiten.
Und da muss ich gleich auch schon ein erstes Mal Danke sagen, ohne
dieses Mannes Sicht auf die Dinge, würde ich wahrscheinlich nur die
Hälfte sehen.

Doch zum Künstler. Eröffnend vielleicht mit zwei Zitaten von eben diesem
Herren Eilers: “Der Dichter und Künstler sieht sich selber als Dialogkabel zwischen Schönheit und dem einfachen Menschen.”
Dem gegenüber zu stellen sei ein zweites Zitat aus einem Interview,
welches er vor Jahren gab, so erwiderte die letzte Frage:
“Any last wishes?” mit den Worten:
“Yes, I would like everyone to be shot.”

Wer ist das also: Willehad Eilers?

Der Katalog sagt folgendes:
Willehad Eilers aka Wayne Horse.
Willehad Eilers/Wayne Horse geboren in Peine/Deutschland, 1981,
lebt und arbeitet in Amsterdam. Er ist Absolvent der Gerrit Rietveld Akademie 2005 und der Rijksakademie Amsterdam 2010.

Eilers Arbeit umfasst Video, Zeichnung und Performance. Seine Vita
umfasst, unter anderem, Ausstellungen im Centraal Museum Utrecht, der
Kunsthalle Rotterdam, dem Rijksmuseum Twente, dem the EYE
Filmmuseum Amsterdam, Museum Jan Cunen, Haus der Kulturen der
Welt in Berlin, HLP project space in Brüssel und der Biennale Venedig.
Kürzlich gewann sein Film “The illmannered Milkman” den Preis “Best
international Film” der WDNX Festspiele in Winnipeg Canada.

Die Vielschichtigkeit, die Grenzenlosigkeit in der Wahl der von ihm
bespielten Medien stellen bis heute den Korpus seiner Arbeit dar. Eilers
nutzt diesen Ansatz der Diversifikation zur schattenlosen Ausleuchtung
seiner oft dunkel, abseitigen Position. Stiller, oft dunkler Ort in der Mitte
der Gesellschaft. Aus dieser Position der fehlenden Einortbarkeit bezieht
seine Arbeit die Möglichkeit, hegelianisch in die Tiefen seines Ausdrucks,
seiner Ansicht oft alltäglicher Beobachtungen ein zu dringen.
Durch dieser Möglichkeit der umfassenden Betrachtung ergibt sich eine
einzigartige Qualität an Humor, im besten Sinne als geistiges Werkzeug
der Einsicht der offensichtlichen Wirklichkeit. Gepaart mit dem starken
Sinn für das Erzählen von Geschichten durch Momentaufnahmen, ergibt
sich so eine Potenz des Ausdrucks, abseits der gewollten und
vorgeschobenen Schönheit, doch weit innerhalb der Ästhetik des
menschlichen Lebens.

Die eigentliche, künstlerische Position Willehad Eilers erschliesst sich
dem Betrachter und Fan erst durch das Zusammenspiel der weit
gestreuten Medien, derer sich Eilers bedient. Hier ist es nicht wichtig, ja
sogar Kontraproduktiv, das Augenmerk auf ein einzelnes Werk zu richten.
Das, was Eilers mitzuteilen hat, diversifiziert sich in dem immer neuen,
niemals perfekten Handwerk, welches in der Lage ist, immer eine Naivität
als Unterton in seiner Arbeit mitschwingen zu lassen. Hierbei ist das
seltene Vermögen zu erkennen, immer wieder die Grenzen des Naiven zu
streifen und damit einen unverstellten, unprätentiösen Blick auf die
Alltäglichkeit, auf die Albernheit und den Narzismus des Menschen an
sich zu erhaschen.

Die Ablehnung der Idee von Perfektion und Genie durchzieht alle Arbeit
von Eilers. Die oft überzogene Simplifikation in seinem Werk erlaubt einen
unverstellten Blick auf einen übergeordneten Stil, auf eine Metaebene des
menschlichen Miteinanders, auf die Unmöglichkeit der Aufrichtigkeit, auf
die Unfähigkeit des Menschen, aus unserem UrsacheWirkungsprinzip
aus zu brechen.

Hierzu bedient sich Eilers archaisch anmutender Techniken. In seinen
“Blind Drawings” wird das Verlangen sichtbar, die soziale Verklärung und
das Verlangen nach Anerkennung durch sein Werk aus zu blenden und
eine direkte Kommunikation durch das Ausschalten anbiedernder,
ästhetischer Oberflächlichkeiten möglich zu machen. Die charakterliche
Nähe zwischen Werk und Schöpfer ist unübersehbar. So entzieht sich die
Aussage seines Werkes der populistischen Einordnung, der Stil ist nicht
durch Werk, sondern nur durch Charakter, durch eine schwebende
Zwischenebene als direkter Ausdruck des Lebens von Willehad Eilers in
seiner Arbeit erkennbar. Eilers Leben und seine Arbeit unterstehen keiner
Trennung. Sie sind Ausdruck des Alltags und ein großer Versuch, ein
Pars pro Toto der Affigkeit dieser Welt, in all ihrer Prätention, ihrem
Manierismus und unserem alltäglichen, verzweifelten Versuch der
Kontrolle über das Leben an sich.
So steht es im Katalog.

Nun haben wir in unserem kleinen Kreis einen großen Vorteil. Den kleinen Zugang zu den Tagebüchern eines Willehad Eilers. Schön geschrieben im fernen Asien im Herbst diesen Jahres und in einer Form, die den Menschen Eilers zeigt, wie er versucht, sich selbst aus seinen eigenen Augen von Aussen zu sehen.
So heisst es hier nicht “Ich” sondern “der Mann”.

Den Aufzeichnungen zufolge ist dem Manne folgendes wichtig:

Punkt 1: Humor
Humor. Es soll lustig sein, aber nicht allein darauf beruhen. Der Mann liebt es zu lachen, von daher ist die Hoffnung auf grosses Amüsement einer der Hauptmotoren und Antrieb dazu, neue Arbeiten zu schaffen. Doch möchte der Mann kein Kunstcomedien oder KunstJeck sein.
Des Mannes Ziel ist es, den Humor um Themen zu wickeln. Die Symbole stehen für für das Leben der Menschen in der Westlichen Welt. Ohne erhobenen Zeige- oder Mittelfinger.
Der Mann sucht das Grosse im Kleinen. Der Mann möchte Reaktionen im Betrachter erzeugen und Humor ist hierfür ein gutes Mittel. Der Humor
macht, dass die Menschen das Thema in sich aufnehmen, ohne es sofort
als Angriff oder Feind auf zu fassen. Trotzdem wird der Betrachter das
Aufgenommene gegen seine eigenen Wertvorstellungen abwiegen.

Punkt Zwei: Leichtigkeit
Leichtigkeit.
Der Mann möchte keine polierten, perfekten Werke schaffen. Hierfür gibt es eine Vielzahl von Gründen. Perfekt in dem Sinne, in dem Perfektionisten davon sprechen, gibt es nicht. Ihr “Perfekt” wäre besser in den Worten “verkrampft” oder “penibel” beschrieben. Der Versuch, der Welt einen perfekten Gegenstand hinzu zu fügen ist Unsinn.
Das denkt der Mann. Perfekt ist etwas, das existiert als das, was es ist.
Etwas von dem nichts anderes erwartet wird, als das zu tun oder das zu
sein, was es ist. Perfektion wird durch Erwartung definiert. Eine perfektionierte Arbeit versteckt sich häufig hinter ihrer Ausführung. Ehrfurcht entsteht im Betrachter, noch bevor er sich überhaupt mit der Arbeit auseinander gesetzt hat. Es ist nicht Anliegen des Mannes, den Zuschauer durch sein Werk zu beeindrucken oder ein zu schüchtern und durch das Gewicht des Talents zu erdrücken. Die Arbeiten des Mannes sollen von der Form her Leichtigkeit und Freude ausstrahlen, eine Art “Das Leben nicht so ganz ernst” nehmen in “Cool”.
Der Mann und das Volk lachen gemeinsam.

Punkt drei: Wirkung auf den Betrachter.
Der Mann will Vermeiden, dass seine Arbeiten nur im Kunstkontext statt finden und sucht deshalb Rückmeldung aus der Welt. Dies drückt sich in seinen Themen aus, die soziale Rituale jeder Gesellschaftsschicht als gleichwertig einstuft.

So der kurze, theoretische Einblick in die Arbeit des Mannes Willehad Eilers.

Grosser Dank gebührt Wolfgang Petzold und Gunhild Tuschen für die Unterstützung und das Ermöglichen dieser Austellung.

Ich wünschen ihnen, um kurz an den Anfang zurück zu kehren, das gleiche, dass mir durch Arbeit und Mensch Willehad Eilers gegeben ist: Ein geweiteter Blick und das Wissen, dass der Mensch, egal woher er kommt, was er ist und was er tut, in seiner Fehlerhaftigkeit offensichtlich eines ist: Gross, albern und insgesamt doch recht sympathisch.


 

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